Projektarbeit

Yoga in der Schwangerschaft – Auswirkungen auf die Geburt

Im Rahmen meiner Diplomarbeit zum Abschluss meiner 4 jährigen Yogaausbildung konnte ich im Herbst 2016 eine Projektarbeit mit 20 schwangeren Frauen durchführen, die an meinen Yogakursen für Schwangere teilgenommen haben.

Meine Hypothese

Die im Schwangerschaftsyoga erlernten Atem- und Entspannungstechniken haben positive Auswirkungen auf die innere Ruhe und die Souveränität während des Gebärens bzw. während der Geburt.

Einleitung: Was mich zu diesem Thema bewogen hat 

Die Geburt meiner Tochter war für mich die einschneidendste und überwältigendste Erfahrung in meinem Leben. Yoga hat mich dabei begleitet und mir das Gefühl gegeben, Einfluss auf den ganzen Prozess zu haben und dabei selbstbestimmt und meiner Natur gemäss Verantwortung für die Schwangerschaft und die Geburt zu übernehmen.

Dabei hatte ich- teilweise zufällig- Glück, die richtigen Menschen und Ratgeber um mich zu haben, die zu einer ruhigen und behutsamen Atmosphäre beigetragen haben.

Leider ist das nicht immer so. Bereits in der Schwangerschaft werden unzählige Tests und Vorsorgeuntersuchungen vorgenommen, mit der medizinischen Absicht, alles kontrollieren und überprüfen zu wollen. Das kann auch dazu beitragen, dass die schwangeren Frauen ein Gefühl der Unzulänglichkeit und Unfähigkeit bekommen. Die Angst, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte wird oft subtil vermittelt. Dabei wächst das Vertrauen in die Medizin und sinkt das Vertrauen in den eigenen Körper.

Im Schwangerschaftsyoga möchte ich den Frauen die Möglichkeit bieten, ein gutes, sattes Körpergefühl während der Schwangerschaft zu erhalten und eine emotionale Verbindung zu ihrem Baby herzustellen. Mittels Übungen und Techniken werden Grundvoraussetzungen geschafft für eine optimalerweise stressfreie und körperlich-seelisch gesunde Geburt.  

Warum Yoga in der Schwangerschaft 

Yoga tut unserer Seele und unserem Geist gut und bringt uns innere Ruhe und Gelassenheit- gerade in der Schwangerschaft! In unserer heutigen stressvollen, schnelllebigen Zeit, müssen wir einer Leistungsgesellschaft gerecht werden, um voranzukommen. Wir werden ermutigt, persönliche und berufliche Ziele zu erreichen, ständig eine Meinung zu haben, alles zu bewerten und zu kommentieren, uns selbst auf Leistung zu trimmen und mit der Konkurrenz mitzuhalten.

Oft spielen zeitliche und finanzielle Faktoren eine wesentliche Rolle bei der Familienplanung. Frauen müssen um ihre Karrieren bangen oder berufliche Abwertungen hinnehmen. Zusätzlich sind Schwangerschaft, Geburt und die Verantwortung für das neue Leben für viele Frauen mit einem Kontrollverlust verbunden. Das Baby beansprucht schliesslich nicht nur den Bauch, sondern verändert – ob frau will oder nicht – letztlich das ganze Leben.

Im Schwangerschaftsyoga schaffe ich eine Atmosphäre, in der die Frauen einen Kontakt und eine tiefe Bindung zum Kind herstellen können und die Intuition und das Vertrauen in die Urkraft des Körpers stärken können. Dabei benutze ich das yogische Konzept der Verbindung von Körper, Geist und Seele im Hinblick auf die bevorstehende Geburt und die möglichen mentalen Hindernisse und körperliche Beschwerden. Ein zentrales Thema ist auch die geistige Ausrichtung. Auf der Basis „wacher innerer Ruhe“ und „ruhiger Wachheit und Kraft“ ist es möglich, loszulassen von überflüssigen körperlichen Spannungen und sich zu öffnen für Unerwartetes.

Körper
Durch das Schwangerschaftsyoga wird den Frauen mit modifizierten Asanas (Körperübungen) ein gutes Körpergefühl vermittelt und das Vertrauen in die eigene Kraft und die Intuition gestärkt.

Die Atemtechniken sind yogischen Ursprungs und werden geburtsrelevant eingesetzt. Die Lenkung des Atems hilft, den Fokus während den Geburtskontraktionen auf das Wesentliche zu richten und hilft der gebärenden Frau, ihre Energien gezielt einzusetzen und sich als aktiver Teil der Geburt wahrzunehmen, anstatt sich hilflos der Situation ausgeliefert zu fühlen. Die Entspannungstechniken werden systematisch angewendet und zielen darauf ab, in kurzer Zeit eine möglichst effiziente und aktive Regeneration zu schaffen, um sich danach wieder der kräftezehrenden Naturgewalt während der Geburt hinzugeben. Dabei bleiben alle Übungen sehr einfach, sodass die Frauen die Entspannung jederzeit selber herstellen können.

Geist
Im Schwangerschaftsyoga geht es darum, die innere Ruhe und Klarheit zu finden, Körpersignale wahrzunehmen und einen Kontakt zum Kind herzustellen. In sich ruhend, läuft man weniger Gefahr, Spielball von Emotionen, Gedanken oder Umständen zu werden. Im Schwangerschaftsyoga lege ich einen besonderen Fokus darauf, den werdenden Müttern die Kraft ihrer Gedanken aufzuzeigen und gezielt Techniken zu vermitteln, diese Kräfte mittels Visualisierungstechniken, Meditationsreisen und Affirmationen einzusetzen.

Seele
Durch die Ruhe und Gelassenheit, die eine Mutter im Yoga findet, gibt sie dem heranwachsenden Kind ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Daher denke ich, dass es sich lohnt, dem Kind schon während der Schwangerschaft Positives zu vermitteln. Es ist das grösste Geschenk, das man dem Kind während der Schwangerschaft machen kann und ist auch eine erste Verbindung zum Kind. So können sich Mutter und Kind schon von Anfang an eine stabile und gesunde, auf Zuneigung und Geborgenheit ausgerichtete Basis schaffen.

Schwangerschaftsyoga und Geburt

Während früher die meisten Geburten zu Hause stattfanden, gibt es heutzutage fast nur noch Spitalgeburten. Gleichzeitig steigt die Zahl der Interventionen und die Kaiserschnittrate.

Die Natur hat uns dafür gemacht, Kinder bekommen zu können. Sie sorgt dafür, dass wir die Geburt körperlich und seelisch gut überstehen. Der dafür körpereigen produzierte Hormon-Cocktail, beeinflusst, wie wir die Geburt erleben. Er gibt uns Energie und Durchhaltevermögen, lindert die Schmerzen, versetzt uns in eine Konzentration und Rückzug der Sinne, lässt uns über uns selber hinauswachsen und öffnet gleichzeitig unser Herz ganz weit für den kleinen neuen Erdenbürger. Die Wirkung dieser Botenstoffe ist längst erwiesen.

Viele Attribute dieser (Glücks- und Geburts-) Hormone können wir auch im Yoga finden: Energielenkung, Durchhaltevermögen durch gezielte Atmung, Kontemplation, innerer Friede und das Wissen, dass man alles was auf einen zukommt, bewältigen kann.

"Allerdings sind diese Hormone scheu. Sie brauchen günstige innere Umstände wie: Ruhe, Vorfreude auf das Kind, Gelassenheit, Entspannung, sowie günstige äussere Umstände, wie: gedämmtes Licht, eine ruhige Atmosphäre, leise Stimmen, keine Interventionen. Sie werden vertrieben bei Stress, Angst, Anspannungen (innere Umstände) und hellem Licht, lauten Stimmen, ständigem Personalwechsel, Hektik (äussere Umstände)".
Nora Imlau, das Geburtsbuch

Schwangerschaftsyoga kann also helfen, die inneren Umstände erstmal zu einer ruhigen, positiven, lichtvollen Energie zu wandeln und der werdenden Mutter während der Geburt ein Gefühl zu geben, den Umständen nicht ausgeliefert zu sein, sondern gewissermassen Kontrolle darüber zu haben. Wenn eine innere Ruhe und Klarheit eintrifft, dann kann die Frau auch nach aussen eine Ruhe und Konzentration ausstrahlen.

Geistige Ausrichtung

Wie reagieren wir auf Unerwartetes, auf Veränderung und auf Unangenehmes? Seit der Geburt sind wir alle geprägt von der Erziehung, der Gesellschaft und von Erfahrungen. Diese Prägungen setzen sich im Unterbewusstsein fest und steuern unser Verhalten. Sie steuern, wie wir auf Situationen reagieren und im Innersten denken. So hängt unser Denken, Fühlen und Handeln wechselseitig zusammen und formt unser Verhaltensmuster, Gedanken, unseren Charakter und letztlich unser ganzes Leben. Diese geistige Ausrichtung können wir in der Yogastunde kultivieren, so dass sich günstige innere Umstände etablieren können. 

Schwangerschaftsyoga ist also nicht nur gut für die Mutter um fit zu bleiben, sondern auch für die Entwicklung des Babys. Durch die Ruhe und Gelassenheit, die im Yoga gefördert wird, wird dem Baby vermittelt, dass die Welt, in die es hineingeboren wird eine gute Welt ist.

"Achte auf Deine Gefühle, denn sie werden zu Gedanken.
Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden zu Worten.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden zu Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden zu Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter. 
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal."
chinesisches Sprichwort

Wellen-Meditation für Schwangere

Diese Meditation ist eine Visualisierung, die die gebärende Frau während den Geburtswehen anwendet. Sie soll dabei helfen, den Schmerzen während den Wehen mit Freude und Zuversicht zu begegnen und so eine Öffnung und ein Loslassen herbeizuführen, anstatt gegen die Schmerzen Widerstand aufzubauen.

Es ist erwiesen, dass Angst einen Schmerz verstärkt und die Aussicht Schmerzen zu bekommen, Angst auslöst. Die Bilder sollen ihr auch helfen, nicht einem „Gefühlssturm“ ausgeliefert zu sein, sondern durch einen sich abzeichnenden Rhythmus, Kontrolle zu spüren und ein aktiver Teil der Geburt zu werden.

Auswertung

Ich hatte mit allen Frauen einen persönlichen und vertrauensvollen Kontakt. Viele waren bereit, über ihre Geburt detailliert zu berichten, was mich sehr positiv überrascht hat. Die Yogastunden haben den Frauen sehr gut getan und ihnen die Schwangerschaft körperlich erleichtert. So schrieb Nicole: „Nach dem Yoga fühlte ich mich einfach gut, kann nicht genau sagen, was es ist!“ und Susanne meinte: „Vor der Yoga-Stunde fühlte ich mich jeweils unbeweglich, schwer, müde- nachher viel leichter und entspannter.“ Doreen schrieb: „Ich habe mich gut vorbereitet gefühlt, gelernt auf den Körper zu hören und mich selbst besser zu spüren, den Alltag etwas entschleunigen.“ Oder Arianne: „Nicht nur die körperliche Aktivität, sondern auch die positive Energie in den Yogastunden haben immer sehr gut getan.“

Die meisten Schwangeren fühlten sich auch mental gestärkt und konnten mit Freude der Geburt entgegensehen. Brigitte schrieb: „Ich war während der ganzen SS auch bis kurz vor der Geburt immer sehr entspannt und hatte auch keine Angst vor der Geburt.“ Und Anna: „Durch die Atmungsübungen habe ich mich sicherer gefühlt im Hinblick auf die Geburt.“ Mirjam meinte: „Durch das Schwangerschaftsyoga ausgeglichener und positiv gestimmt auf die bevorstehende Geburt.“ Gabriela konnte immerhin eine beachtlich lange Zeit durchhalten: „Ich hatte 27h Wehen (Einleitung) und ich konnte durchs Yoga immer wieder Kraft schöpfen, um die Wehen weiter auszuhalten und weiter eine natürliche Geburt probieren.“

Christa konnte zwei Schwangerschaften miteinander vergleichen und meinte: „Es stärkt die Körperwahrnehmung, dadurch steigert sich das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in den Körper, hilft loszulassen und den Körper „machen zu lassen“ unter der Geburt. Zudem lernte ich verschiedene Positionen kennen und konnte mich so an einen „Plan“ halten, fühlte mich nicht hilflos ausgeliefert, sondern als aktive Teilnehmerin. Da ich den Vergleich habe von zwei Geburten (1. ohne Yoga), kann ich einen enormen Unterschied feststellen auf die körperliche Fitness nach der Geburt. Ich habe viel mehr Kraft und Muskeln in den Armen, aber auch schon im Rumpf - und Bauchbereich und weniger bis keine Rückenschmerzen diesmal.“


Ich möchte mich bei allen Teilnehmerinnen ganz herzlich bedanken; vielen Dank für eure Offenheit und euer Vertrauen!